28. Februar: Johanna Kappes (1879–1933)
Sie war die Erste: Beginn des „ordentlichen“ Frauenstudiums in Deutschland am 28. Februar 1900


Johanna Kappes
Als Johanna Kappes in Freiburg die entscheidende Petition für ihre Zulassung als gleichberechtigte Studentin verfasste, ging sie ein hohes Risiko ein. Doch sie wurde nicht von der Universität verbannt, sondern konnte ihr Medizinstudium mit Erfolg abschließen und über viele Jahre in Nürnberg als niedergelassene Ärztin wirken.
1899 legte Johanna Kappes als eine der frühesten Absolventinnen am ersten deutschen Mädchengymnasium in Karlsruhe ihre Abiturprüfung ab. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte sie sich selbstverständlich an der der nächsten Universität eingeschrieben und zum Wintersemester ihr Studium aufgenommen. Doch noch immer waren Ansichten wie diejenige des damals berühmten und einflussreichen Volksschriftstellers und Theologen sowie Freiburger Uni-Prorektors Alban Stolz weit verbreitet: „Das weibliche Geschlecht ist nicht nur dem Körper nach, sondern auch geistig schwächer als das männliche Geschlecht im allgemeinen; daher ist es nicht nur eine seltene Ausnahme, sondern gewissermaßen eine Unnatur, wenn ein Weib in Kunst oder Wissenschaft etwas Bedeutendes leistet".
Johanna Kappes wollte Medizin studieren und ergriff die damals einzige Möglichkeit, als Frau eine Universität zu betreten. Sie suchte in Freiburg diverse Professoren auf und bat um die Gnade, bei ihnen studieren zu dürfen. Dabei hatte sie großes Glück, denn es gelang ihr, die Herren von ihren Fähigkeiten zu überzeugen, ihr Wohlwollen zu wecken und für das Wintersemester 1899/1900 die Erlaubnis zu erwirken, als Hörerin ihren Vorlesungen beizuwohnen. Verschlossen blieb ihr allerdings - ebenso wie ihren wenigen Mitstreiterinnen - der Weg zu einem staatlich anerkannten Examen.
Als sie während ihres ersten Semesters vom Verein „Frauenbildung - Frauenstudium" aufgefordert wurde, für ihre ordnungsgemäße Zulassung zu kämpfen und damit ihren Zustand des Geduldetwerdens zu beenden, ergriff sie die Gelegenheit. Mit Unterstützung insbesondere der Vereinsvorsitzenden Adelheid Steinmann - als Ehefrau des Prorektors hatte sie Einblick in die Universitätsstrukturen - formulierte die junge Frau eine entsprechende Petition. Diese ging über die Hochschule an die Karlsruher Regierung und löste den folgenschweren Erlass aus, der am 28. Februar 1900 die badischen Universitäten für Frauen öffnete. Mehr noch: Man gestattete Johanna Kappes und ihren vier ebenfalls in Freiburg „hörenden" Kolleginnen die Rückdatierung der Immatrikulation um ein Semester und erkannte damit ihre bisher erbrachten Leistungen an. In Heidelberg, der zweiten badischen Universität, kam das Verfahren nicht zur Anwendung, obwohl auch hier Frauen bereits als Hörerinnen zugelassen waren.
Doch so leicht gab sich die Männerdomäne Universität nicht geschlagen: Der Erlass war gerade zwei Wochen alt, da reichte die Freiburger Professorenschaft im Kultusministerium den Entwurf für eine Bestimmung ein, wonach die letztgültige Entscheidung über die Anwesenheit von Frauen doch wieder ihr überlassen werden sollte, da „gewisse Vorlesungen oder Teile derselben nicht wohl vor Studierenden beiderlei Geschlechts abgehalten werden können". Die Antwort aus Karlsruhe ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Dem Senat der Universität Freiburg erwidern wir, dass wir es grundsätzlich nicht für zulässig erachten können, den zur Immatrikulation zugelassenen weiblichen Studierenden die Teilnahme an einzelnen Vorlesungen oder Teilen von Vorlesungen nach Anschauung der betreffenden Docenten zu verweigern".
Vorerst blieb das Großherzogtum Baden der einzige deutsche Bundesstaat, in dem Frauen gleichberechtigt studieren konnten. 1904 folgte Württemberg, Preußen machte den Schritt erst 1908, das Schlusslicht bildete Mecklenburg-Schwerin im Jahr 1909.
Somit waren Johanna Kappes und ihre vier Kommilitoninnen nicht nur die ersten rechtmäßig immatrikulierten Studentinnen in Freiburg, sondern die ersten im Deutschen Kaiserreich überhaupt. Alle fünf studierten Medizin, bestanden ihre Examina, promovierten, wurden approbiert und ließen sich als Ärztinnen mit eigener Praxis nieder.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Scherb, Ute: Ich stehe in der Sonne und fühle, wie meine Flügel wachsen. Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der Freiburger Universität von 1900 bis in die Gegenwart, Königstein/Ts. 2002.
Gleichstellungsbüro der Universität Tübingen (Hrsg.): 100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen 1904-2004. Historischer Überblick, Zeitzeuginnenberichte und Zeitdokumente. 2007, urn:nbn:de:bsz:21-opus-27233.
Bildquelle: Stadtarchiv Nürnberg C 21/VII Nr. 183.
Autorin: Ute Scherb

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