27. Juli: Alice Droller, Künstlername: Dorell (1907–1942)
Schauspielerin, Kabarettistin


Alice Droller
Die aus Mannheim stammende Alice Droller/Dorell gehörte zu den ersten Frauen, die sich mit politischem Kabarett beschäftigen. Sie war nicht so berühmt wie Erika Mann mit ihrer Kabarettgruppe „Pfeffermühle“. Aber in den Niederlanden, wohin sie sich 1933 als Jüdin geflüchtet hatte, erreichte sie angesichts der Tatsache, dass sie Ausländerin und Niederländisch nicht ihre Muttersprache war, einen erstaunlichen Erfolg.
Alice erblickte am 27. Juli 1907 als Tochter des Möbelhändlers Julius Droller und seiner Frau Emma, geb. Simons das Licht der Welt. Durch den Vater, der ein aktives Mitglied des jüdischen Männergesangvereins „Liederkranz" gewesen ist, erhielt sie früh Zugang zu den kulturellen Aktivitäten dieses Vereins, der in den 1920er Jahren für seine aufwändigen Revuen bekannt war. Noch nicht siebzehn Jahre alt, rezitierte sie bei einer Liederkranz-Veranstaltung im Februar 1924 Gedichte in Pfälzer Mundart, die ihr Vater geschrieben hatte.
Nach Privatunterricht bei dem Mannheimer Schauspieler Paul Tietsch (1856-1932) wechselte sie 1925 nach Berlin an die Schauspielschule von Max Reinhardt und spielte bis 1932 an verschiedenen Bühnen: nach dem Debüt am Mannheimer Nationaltheater 1926 in den Theatern von Gladbach-Reydt und Bremen. Bald stellte sich ihr Talent für Komik und Kabarett heraus. Das trainierte sie auch weiterhin bei Veranstaltungen des Liederkranzes: zum Beispiel in der Rolle der Kellnerin „Binchen Bimbernell" in der von Hanns Glückstein geschriebenen Revue „Mannemer Bildfunk", 1929, oder als Conferencière im „Li-Fa-Kü-Ka", dem Liederkranz-Fastnachts-Künstler-Kabarett des Jahres 1932, bei dem sie auch eigene Texte vortrug.
Während sie in Mannheim weiterhin als Alice Droller auftrat, veränderte sie ihren Nachnamen überregional in den Künstlernamen Dorell. Ihre hoffnungsvollen Anfänge als Schauspielerin und Kabarettistin erlebten 1933 eine erste harte Zäsur. Während ihre Eltern mit den jüngeren Geschwistern nach Holland emigrierten, floh sie zunächst über die Schweiz nach Paris. Ende 1933 begab sie sich aber zu ihrer Familie nach Den Haag.
In Holland versuchte sie den beruflichen Neuanfang, indem sie zunächst einmal sehr gut Niederländisch lernte - das unterschied sie von den meisten deutschen Emigranten. 1935 ging sie mit der holländischen Pianistin Rose von Hessen auf Tournee und brillierte vor allem mit Parodien auf Filmstars und Schönheitsidole der Zeit. Nachdem sich die Kabarettistin Annie Prins den beiden anschloss, entstand „Dorells Dreidamenkabarett", die erste nur aus Frauen bestehende Kabaretttruppe in den Niederlanden.
Alice Dorell legte Wert auf ein literarisch anspruchsvolles Kabarettprogramm, das auch vor politischen Anspielungen nicht zurückschreckte. „Ich wollte Kritik anbringen, wenn nötig auch scharf", lautet eines der wenigen Zitate, die von ihr überliefert sind. Trotz finanzieller Schwierigkeiten verfolgte sie diesen Weg mit wechselnden Bühnenpartnerinnen konsequent weiter.
Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in den Niederlanden gehörte Alice zu den ersten Opfern antijüdischer Maßnahmen. Sie musste bereits Ende 1940 nach Utrecht umziehen, kam später in das Durchgangslager Westerbork und von dort nach Auschwitz - mit dem ersten Transport aus den Niederlanden am 15. Juli 1942. Dort wurde sie am 30. September 1942 in den Gaskammern ermordet.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Kabarettistin Dorell lange vergessen. Nur zwei ihrer Texte sind bis heute überliefert. Ihre Wiederentdeckung geschah seit Ende der 1990er Jahre, u.a. als fester Bestandteil des Programms „Verehrt - verfolgt - vergessen" des bekannten Chansoniers Robert Kreis.
Seit dem 22. Oktober 2016 erinnert in Mannheim auf den Planken in P7, 22, vor dem Haus, in dem sie ihre Jugendjahre verbrachte, ein Stolperstein an sie.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Alice Droller, genannt Dorell. In Nieß, Ulrich (Hg.): Jede Frau hat eine Geschichte. 25 Biographien Mannheimer Pionierinnen. Mannheim 2020, S. 26-27.
Schlösser, Susanne: Alice Droller. In: Badische Biographien, Neue Folge 6, Stuttgart 2011, S. 76-77
Zaich, Katja B.: „Ich bitte dringend um ein Happy-end." Deutsche Bühnenkünstler im niederländischen Exil 1933-1945. Hamburger Beiträge zur Germanistik 33, 2001.
Bildquelle: MARCHIVUM, Bildsammlung, KF041094.
Autorin: Susanne Schlösser

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