30.
Januar:
Elsi Ascher-Schütz (1895–1976)
Erste Gemeinderätin im Enzkreis
Sie erwarb sich durch intensives Eigenstudium große Kenntnisse in Literatur und Soziologie und pflegte Kontakt zu Künstlern und Dichtern wie Hermann Hesse. 1925 heiratete sie den jüdischen Gymnasiallehrer Fritzmartin Ascher aus Mannheim, den sie durch ihre Naturverbundenheit und die Anthroposophie Rudolf Steiners entscheidend beeinflusste.
Doch Elsi zögerte die Übersiedlung nach Deutschland, bei der sie ihre schweizerische Staatsangehörigkeit aufgeben musste, hinaus, weil sie das Heimatland ihres Mannes kritisch sah und ihre Pensionsansprüche in der Schweiz nicht aufgeben wollte. 1927 zog die inzwischen dreiköpfige Familie nach Pforzheim. Elsi Ascher-Schütz fühlte sich hier bald wohl, besonders als 1930 die zweite Tochter zur Welt kam.
Die Herrschaft des Nationalsozialismus warf die Lebensplanung der Aschers vollkommen um. Als Fritzmartin Ascher 1935 durch die NS-Rassengesetze seine Anstellung verlor, fand seine Familie bei der jüdischen Fabrikantenfamilie Emrich in Mühlacker eine Wohnung. Er selbst war bis 1939 in einer jüdischen Privatschule in Danzig tätig und danach auf niedrige Arbeiten bei einem Friedhofsgärtner in Mühlacker angewiesen. Elsi Ascher-Schütz arbeitete in dieser Zeit in der Landwirtschaft und baute auf einem kleinen Acker Gemüse an, um das Familieneinkommen aufzubessern. Seit 1944 mussten sie und ihre ältere Tochter schwere Keramikbausteine in Güterwagen verladen. Die drohende Deportation ihres Mannes konnte wegen seines schlechten Gesundheitszustandes gerade noch verhindert werden. Mit dem Kriegsende im April 1945 hatte die Familie dann das Schlimmste überstanden.
Dr. Fritzmartin Ascher war von Juni 1945 bis zum Februar 1947 Mühlackers erster Nachkriegsbürgermeister. Bei den ersten Gemeinderatswahlen 1946 ließ sich auch seine Frau Elsi für die „Parteilose Stadtgruppe" als Kandidatin aufstellen und wurde als erste Frau in den Mühlacker Gemeinderat gewählt, dem sie bis zum Ende der Wahlperiode im Dezember 1947 angehörte.
In dieser Zeit fanden 37 Sitzungen mit 380 Beschlüssen statt, die sich mit Wohnraum für Flüchtlinge, Einstellung von neuem Personal, Wiedereingliederung der Kriegsteilnehmer und der Versorgung der Bevölkerung mit allen lebenswichtigen Gütern befassten. Elsi Ascher-Schütz, die sehr sozial und aufgeschlossen war, war Mitglied in den Ausschüssen für Wohnungsfragen und Soziales sowie im Ortsausschuss für Flüchtlinge und Vertriebene.
Gleich in ihrer ersten Gemeinderatssitzung meldete sie sich zur Frage nach Entlassung der deutschen Kriegsgefangenen zu Wort, und im Januar 1947 setzte sie sich für eine zweite Hebammenstelle im städtischen Entbindungsheim ein, woraufhin der Gemeinderat einen entsprechenden Antrag beim Landratsamt stellte. Bei den nächsten Gemeinderatswahlen kandidierte sie zwar erneut, wurde aber nicht mehr gewählt.
Als ihr Mann 1947 als Landrat nach Waiblingen zog, blieb Elsi Ascher-Schütz, die mit ihm ein gleichberechtigtes Verhältnis pflegte, weiter in Mühlacker, weil sie inzwischen am Gymnasium Französisch unterrichten konnte. Erst als Ascher Direktor am Crailsheimer Gymnasium wurde, zog sie auch dorthin. Elsi Ascher-Schütz starb am 7. März 1976.
Bildquelle: Stadtarchiv Mühlacker, FA 29-02 Ascher-Schütz, Elsi (1952).
Autorin: Marlis Lippik
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