24. November: Anna Zeiser, geb. Maier (1861–1947)
Erste „Frau Rat“ in Bruchsal


Anna Zeiser
Anna Zeiser gehört zu den Frauen, die nach dem Erreichen des Wahlrechts 1918 nicht nur zur Wahl gingen, sondern sich auch zur Wahl stellten und den Schritt in die Welt der Kommunalpolitik wagten. Sie wurde 1919 die erste Stadträtin in Bruchsal.
Anna Zeiser wurde als Anna Maier am 24. November 1861 in Hüfingen geboren. 1882 heiratete sie Franz Zeiser, Rechtsanwalt in Bruchsal. Das Ehepaar hatte 13 Kinder, zwei Töchter starben früh, ein Sohn fiel im Ersten Weltkrieg.

1897 gründete der katholische Stadtpfarrer Josef Kunz mit Zeisers Mitwirkung den Vinzentiusverein. Zeiser wurde dessen erste Präsidentin. Der karitative Verein sollte sich um bedürftige Frauen und Kinder kümmern. Im Lauf der Jahre wurde er Träger unterschiedlicher Angebote: einer Stellenvermittlung, eines Heims für „stellenlose und durchziehende Mädchen", von Koch-, Näh- und Bügelkursen und der Wöchnerinnenfürsorge mit Milchausgabestelle. Dazu kamen Wohnräume für alleinstehende und bedürftige Frauen sowie eine Volksküche.

Anna Zeiser blieb auch nach dem Tod ihres Mannes 1903 aktiv. Im Jahr 1915 übernahm sie die Leitung der Vereinigten Frauenvereine Bruchsals, die sich zur besseren Versorgung der Bevölkerung während des Krieges zusammengeschlossen hatten. Organisiert wurden Wohltätigkeitsveranstaltungen für Kinder und hauswirtschaftliche Weiterbildungskurse für Frauen sowie Spendensammlungen zur Unterstützung notleidender Familien und Soldaten. Der Vinzentiusverein, dessen Präsidentin sie blieb, stellte Pflegerinnen für die Lazarette und die Kriegskinderkrippe. Seine Volksküche wurde zur Suppenküche, in der Bedürftige günstig eine Suppe erhielten. Diese Unterstützungsmaßnahmen sollten es Frauen ermöglichen, außer Haus zu arbeiten und die fehlenden männlichen Arbeitskräfte zu ersetzen. Doch auch trotz dieses Einsatzes an der „Heimatfront" war die Versorgungslage so schlecht, dass die anfängliche Kriegsbegeisterung der Bruchsaler Bevölkerung schnell vorbei war.

Nach dem Krieg, als die Frauen das aktive und passive Wahlrecht erhielten, trat Anna Zeiser dem Zentrum bei und wurde 1919 als erste Frau in den Rat der Stadt Bruchsal gewählt. Dort vertrat sie in verschiedenen Kommissionen besonders die Belange der sozial schwächeren und armen Bevölkerung. Daneben setzte sie ihre soziale und karitative Tätigkeit fort. Sie unterstützte auch die Weiße Rose, den Süddeutschen Verband der katholischen Mädchenvereine. Um Geld für ihre Aktivitäten zu beschaffen, organisierte sie Feste, Lotterien und Basare, z.B. 1930 die Winternothilfe.

Als 1933 mit dem „ersten Gleichschaltungsgesetz" die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften aufgelöst und mit Anhängern der NSDAP besetzt wurden, schied Anna Zeiser aus dem Rat aus. Am 9. Juli 1941 löste das nationalsozialistische Regime den Vinzentiusverein auf, nachdem bekannt geworden war, dass sich der verbotene Schülerbund Neudeutschland in Räumlichkeiten des Vereins traf.

Von Anna Zeiser ist nur ein spärlicher Nachlass erhalten. Deshalb bleibt auch ihr Leben während des „Dritten Reichs" weitgehend im Dunkeln. Allerdings findet sich ein Brief ihrer jüdischen Bekannten Johanna Straus, die die Shoah in Frankreich überlebt hatte. Diese drückte im Februar 1947 eine große Wertschätzung für die Familie Zeiser aus und insbesondere für „meine liebe Frau Rat Zeiser". „Ein Stück Heimat für mich" sei Anna Zeiser. Ein von Johanna Straus geplanter Besuch kam allerdings nicht mehr zustande, denn am 13. Mai 1947 starb Zeiser in Bruchsal.

Seit 2006 wird im Rahmen des frauengeschichtlichen Stadtrundgangs Bruchsal an Anna Zeiser gedacht. Außerdem gibt es an ihrem Wohnhaus in der Huttenstraße eine Erinnerungstafel für sie und 2007 wurde eine Straße nach ihr benannt.

Weiterführende Literatur und Quellen:
Alois Siegel, Frau Rat Zeiser, in: Fritz Herzer (Hg.): Bruchsaler Heimatgeschichte, 1955, S. 244.
Schreiben Johanna Straus, Februar 1947, Nachlass Zeiser, NN1 Nr. 6, Stadtarchiv Bruchsal.
Josef Münch: Bruchsal im Weltkrieg 1914 - 1920, Bruchsal 1920, S. 282-287.
Bildquellen: Stadtarchiv Bruchsal.
Autorin: Ruth Birkle
Datum: 24.11.2025

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