02. August: Marianne Weber (1870-1954)
Frauenrechtlerin, Parlamentarierin


Marianne Weber um 1894
Marianne Weber (1870-1954) war weit über ihre Wahlheimat Heidelberg hinaus als Frauenrechtlerin bekannt. Als Parlamentarierin der ersten Stunde setzte sie 1919 Maßstäbe. Warum nur blieb sie vor allem als Frau und Nachlassverwalterin des berühmten Soziologen Max Weber in Erinnerung?

Als am 2. August 1870 in Oerlinghausen das erst Kind einer Industriellentochter und eines Arztes zur Welt kam, hätte es wohl niemand für möglich gehalten, dass ausgerechnet dieses auf den Namen Marianne getaufte Mädchen einmal für eine parlamentarische Sternstunde sorgen würde. Alles sprach für den typischen Lebensweg einer „höheren Tochter“.

Nach dem letzten standesgemäßen Schliff in einem Mädchenpensionat wollte Marianne Schnitger, so ihr Geburtsname, allerdings nicht zuhause auf einen passenden Ehemann warten. Stattdessen setzte sie den Unterricht bei einem Berliner Kunstmaler durch. Letztendlich fand die Aufmüpfige dann doch nicht zur Kunst, sondern entdeckte die Liebe zu einem aufstrebenden jungen Wissenschaftler. Es schreckte sie nicht, dass ihr der später als Soziologe berühmte Max Weber (1864-1920) kein Dahindümpeln im Hafen der Ehe versprach, sondern sie als seinen „hochherzigen Kamerad“ zum Mitkommen auf die „hohe See“ einer intellektuell-ethisch motivierten und ausdrücklich eben nicht auf Leidenschaft setzenden Beziehung aufforderte.

Folglich sollte sich Mariannes Leben nicht im Hausfrauendasein erschöpfen. Was nicht ausschloss, dass die Braut vor der Hochzeit im Jahr 1893 einen „Crashkurs“ in (großbürgerlicher) Haushaltsführung absolvierte, um einer noch heute weitverbreiteten weiblichen Doppelbelastung gewachsen zu sein. Aber worin sollte sie eine erfüllende Aufgabe finden – zumal, wenn sie den Rat ihres Gatten befolgte, besser nicht mit ihm auf dem Feld der Wissenschaft zu konkurrieren?

Als Marianne Weber am 15. Januar 1919 Parlamentsgeschichte schrieb, war sie schon längst eine angesehene Frauenrechtlerin und Publizistin, der ihre Wahlheimat Heidelberg verdankt, zu einem „Hotspot“ der bürgerlichen Frauenbewegung geworden zu sein. So war es nicht weiter verwunderlich, wenn die liberale DDP im Wahlkampf zur badischen Nationalversammlung auf sie als Zugpferd setzte, um unter den nach der Revolution von 1918/19 erstmals wahlberechtigten Frauen erfolgreich auf Stimmenfang zu gehen.

Als frischgewählte Parlamentarierin zögerte Marianne Weber nicht, gleich in der konstituierenden Sitzung das Wort zu ergreifen. Damit lief sie, was vielfach übersehen wird, der am 19. Februar 1919 vor der Weimarer Nationalversammlung sprechenden Marie Juchacz (MSPD) den Rang der ersten Rednerin vor einem deutschen Abgeordnetenhaus ab. Nicht nur deshalb lohnt es sich, Marianne Webers Rede unter https://digital.blb-karlsruhe.de/periodical/pageview/368851 nachzulesen. Deren besondere Mischung aus Bescheidenheitsattitüde und Partizipationsanspruch wirkt aus heutiger Sicht vielleicht etwas zu konziliant - oder mit anderen Worten: „typisch weiblich“. Aber urteilen wir nicht vorschnell und den langen Kampf um das Frauenwahlrecht vergessend, der manche bürgerliche Frauenrechtlerin eben genau diese Konzilianz gelehrt hatte? Nicht nur darüber lohnt es sich anlässlich von Marianne Webers 150. Geburtstag nachzudenken, sondern auch über ihre bislang wenig beachteten frauenpolitischen Strategien und die frauenpolitischen Akzente, die sie in ihrer Zeit als Abgeordnete in der badischen Nationalversammlung setzte.

Dazu demnächst ausführlicher (siehe weiterführende Literatur):

Marianne und Max Weber
Weiterführende Literatur und Quellen:

Sybille Oßwald-Bargende, Richtungsweisend. Die Frauenrechtlerin Marianne Weber als erste parlamentarische Rednerin.
In: Sabine Holtz und Sylvia Schraut (Hg.): 100 Jahre Frauenwahlrecht im deutschen Südwesten. Eine Bilanz, S. XX-XX

Bildquellen:

Marianne Weber: 2001/2822 Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Sammlung Leif Geiges

Marianne und Max Weber: 2016/0197 Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Marianne Weber im Landtag: Generallandesarchiv Karlsruhe

Autorin: Sybille Oßwald-Bargende    

Erscheinungsdatum: 2. August 2020

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