19. August: Helene Hecht (1854–1940)
Jüdische Kunstmäzenin, gestorben 1940 während der Deportation nach Gurs


Helene Hecht um 1900
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war sie ein Mittelpunkt der Mannheimer Kunst- und Kulturszene. Seit 2010 werden mit dem Helene-Hecht-Preis herausragende kulturschaffende Frauen in der Metropolregion Rhein-Neckar geehrt.
Seit 2010 verleiht der FrauenKulturRat der Stadt Mannheim im zweijährigen Turnus den Helene-Hecht-Preis. 2019 ist der Helene-Hecht-Nachwuchspreis dazugekommen. Mit den Preisen werden herausragende kulturschaffende Frauen der Metropolregion Rhein-Neckar geehrt. Gleichzeitig sollen die Preise an ihre Namensgeberin erinnern. Wer war Helene Hecht?
Vermutlich würde sich heute niemand mehr an sie erinnern, wenn es nicht die nach ihr benannten Preise gäbe. Helene Hecht, am 19. August 1854 als Helene Bamberger geboren, entstammte einer liberal gesinnten großbürgerlichen jüdischen Bankiersfamilie in Mainz. Über ihren Bildungsgang ist wenig bekannt. Überliefert ist, dass sie in ihrem Elternhaus eine umfassende kulturelle Bildung erhielt.
Helene Bambergers Lebensweg schien viele Jahrzehnte den für ihn vorgesehenen Bahnen zu folgen. 1875 ging sie eine zur Herkunft passende Ehe mit dem Bankier und Wirtschaftswissenschaftler Felix Hecht ein. Er hatte in Mannheim den Direktorenposten der Rheinischen Hypothekenbank übernommen. Der Eheschließung folgte die Geburt von vier Söhnen (1876, 1878, 1880 und 1885). Nur zwei von ihnen überlebten die kritische Kleinkindphase. Und Helene Hecht nutzte als Kunstmäzenin die Handlungsspielräume, die ihre gesellschaftliche Schicht Frauen zubilligte. Mit großem Engagement und Stolz gestaltete sie ein großbürgerliches Haus, das architektonisch und in der Ausstattung Aufsehen erregte. Die großzügige Gastgeberin entwickelte die Villa Helene zum kulturellen Mittelpunkt des kulturbeflissenen Mannheimer Bildungsbürgertums. Hier trafen sich Künstler*innen und Kunstbegeisterte Mannheims und der Region. Zu ihren Gästen und Briefpartnern zählten beispielsweise Cosima Wagner, die Tochter von Franz Liszt und Ehefrau von Richard Wagner, der Komponist Oskar Grohe und der Dirigent Wilhelm Furtwängler. Mit dem Komponisten Johannes Brahms - dem Paten einer ihrer Söhne - und dem Maler Franz von Lenbach verband Helene Hecht eine herzliche Freundschaft.
Doch um 1900 zeichneten sich erste Bruchstellen in dem bis dahin glänzenden gesellschaftlichen Leben Helene Hechts ab. Ihr Mann zog sich 1901 aus dem Bankgeschäft zurück und verlagerte seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin. Seine Frau blieb allein in Mannheim zurück. Ob sie diese Trennung sehr getroffen hat? Wir wissen es nicht. Doch die Villa Helene verlor ihre Strahlkraft. An den Geschicken ihrer Heimatstadt, beispielsweise an den großen Feierlichkeiten zum 300-jährigen Stadtjubiläum Mannheims 1907, aber auch an der wachsenden Mannheimer Frauenbewegung scheint sie keinen Anteil mehr genommen zu haben. Spätestens nach dem Tod von Felix Hecht (1909) und mit dem Ersten Weltkrieg wurde es endgültig still in der Villa Helene. Schließlich schmälerten auch die Wirtschaftskrisen in der Weimarer Republik Helene Hechts ökonomische Ressourcen.
Helene Hecht blieb in Mannheim, auch als sich mit dem wachsenden Antisemitismus ihr gesellschaftlicher Kreis weiter verkleinerte. Zusammen mit einer Enkelin führte sie ein zurückgezogenes Leben. Sie entschied sich gegen eine Auswanderung, obwohl ihr wirtschaftlicher und verwandtschaftlicher Hintergrund eine Emigration ermöglicht hätten. Am 22. Oktober 1940 wurde Helene Hecht nach Gurs deportiert. Stimmen aus ihren früheren Gesellschaftskreisen, die sich für sie eingesetzt haben, sind nicht überliefert. Helene Hecht hat den Transport nach Gurs nicht überlebt. Ihr genauer Todestag und der Todesort sind nicht bekannt.
Woran kann ein Denktag an Helene Hecht erinnern? An eine Frau aus dem Großbürgertum, die sich als kulturbeflissene Gesellschaftsdame und Kulturmäzenin verstand und die Grenzen der Handlungsspielräume erfahren musste, die Frauen im 19. Jahrhundert zugebilligt wurden? An eine Kulturmäzenin, die das Pech hatte, Jüdin zu sein und ohne Unterstützung ihrer ehemaligen Freundeskreise einsam der Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten ausgeliefert war? Zu denken mag ihr Lebensweg in jedem Fall geben.
Weiterführende Literatur und Quellen:

Barbara Becker: In Mannheim habe ich an so viel Hübsche(s) und Schöne(s) zu denken. Helene Hecht - ein Porträt mit Emotionen, in: Zeitenwandel. Frauengenerationen in der Geschichte Mannheims, hrsg. von der Frauenbeauftragten der Stadt Mannheim Ilse Thomas und Sylvia Schraut, Mannheim 1995, S. 278-291

Bildquelle: MARCHIVUM AB02056-013
Autorin: Sylvia Schraut
Datum der Veröffentlichung: 18.08.2022

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