05. Dezember: Hedwig Braun, geb. Dinkel (1886–1977)
Erste staatlich geprüfte Ärztin Württembergs


Grabstein Hedwig Braun
Hedwig Braun, geb. Dinkel, legte 1904 als eine der ersten Frauen Württembergs in Stuttgart ihr Abitur ab. Sie war die erste staatlich geprüfte Ärztin in Württemberg und sie war über 65 Jahre als Ärztin in Stuttgart-Bad Cannstatt tätig.
Hedwig Dinkel wurde am 5. Dezember 1886 in Friedrichshafen am Bodensee geboren. Sie war die einzige Tochter und hatte drei jüngere Brüder. Aufgewachsen ist sie in Weinsberg, wo ihr Vater Lehrer an der Lateinschule war. Mutter und Vater unterrichteten ihre Tochter zunächst privat, mit neun Jahren wurde sie dann als einziges Mädchen in die Lateinschule in Weinsberg aufgenommen.
Nachdem ihr Vater Heinrich Dinkel eine Stelle als Lehrer am Cannstatter Gymnasium übernommen hatte, zog die Familie mit den vier Kindern nach Cannstatt.
Hedwig Dinkel wechselte 1899 an das gerade neu gegründete Private Mädchengymnasium in Stuttgart. 1904 legte sie zusammen mit ihren drei Klassenkameradinnen Gertrud Stockmayer, Anna Stettenheimer und Martha Vollmöller ihr Abitur extern am heutigen Johannes-Kepler-Gymnasium in Cannstatt ab. Diese vier Frauen waren die ersten Abiturientinnen im Königreich Württemberg und alle vier studierten anschließend an der Universität in Tübingen.
Als Hedwig auf der Abiturfeier von Königin Charlotte gefragt wurde, was sie studieren wolle, antwortete sie sofort: Medizin. Und die Königin kommentierte: „So jung und Medizin studieren - das wirkt komisch!" Hedwig war damals 18 Jahre alt.
Hedwig Dinkel war sehr zielstrebig und absolvierte ihr Medizinstudium in München und in Tübingen, wo sie 1909 mit 22 Jahren als erste Frau in Württemberg ihr Staatsexamen ablegte. 1911 erhielt sie die Approbation und die Promotion und war damit die erste staatlich geprüfte Ärztin in Württemberg.
Für ein Jahr arbeitete sie als Medizinalpraktikantin am Pathologischen Institut in Tübingen, anschließend wechselte sie in die chirurgische Abteilung des Cannstatter Krankenhauses. Dort lernte sie ihren Mann Heinrich Braun kennen.
Sie wechselte noch für einige Monate in die Innere Abteilung des Karl-Olga-Krankenhauses und ins Kinderkrankenhaus Berg in Stuttgart.
Nach der Hochzeit 1912 arbeitete Hedwig Braun in der Allgemeinärztlichen Praxis ihres Mannes mit.
Sie bekamen vier Kinder, bei deren Betreuung ihre Eltern halfen.
Während des Ersten Weltkriegs mussten sie die Praxis schließen, da Heinrich als Marinearzt eingezogen worden war. Hedwig arbeitete eine Zeitlang wieder am Cannstatter Krankenhaus. Anschließend kehrten Heinrich und Hedwig aber in ihre gemeinsame Praxis zurück.
Hedwig Braun wurde ab 1925 bei der Kassenärztlichen Vereinigung als Assistentin ihres Mannes geführt. 1929 wurde sie Mitglied im Bund deutscher Ärztinnen.
Da ihre Praxis im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, eröffneten sie 1945 eine neue Praxis in der Taubenheimstraße 33 in Stuttgart-Bad Cannstatt.
Als Heinrich Braun schwer krank wurde, übernahm Hedwig immer mehr der Arbeit in der gemeinsamen Praxis. Sie erhielt nun auch die offizielle Zulassung als „Praktische Ärztin in Gemeinschaftspraxis". Heinrich Braun starb 1952 und Hedwig führte die Praxis noch bis 1961 alleine, die letzten fünf Jahre als Privatpraxis.
Ihre Tochter Anneliese war das erste Mädchen, das - auf Betreiben ihrer Mutter Hedwig Braun - ab 1923 das heutige Johannes-Kepler-Gymnasium in Bad Cannstatt von der fünften Klasse bis zum Abitur besuchte. Sie studierte ebenfalls Medizin und wurde Kinderärztin in Cannstatt.
In deren Praxis arbeitete Hedwig nach der Schließung ihrer eigenen Praxis bis zu ihrem Tod 1977 mit.
Zu ihrem 90. Geburtstag wurde Hedwig Braun von der Landesärztekammer Baden-Württemberg die Albert-Schweitzer-Medaille verliehen.
Die Sozialministerin Annemarie Griesinger hatte gleichzeitig vorgeschlagen, ihr das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Aber Hedwig Braun lehnte dies ab, da sie sich nicht würdig genug fühle. Mit der Albert-Schweizer-Medaille sei sie reichlich belohnt.
Ein Jahr später, am 18.12.1977, starb Hedwig Braun. Ihr Grab befindet sich auf dem Uff-Kirchhof in Bad Cannstatt.
Weiterführende Literatur und Quellen:

Corinna Schneider: Hedwig Dinkel (1886-1977), in: Gleichstellungsbüro der Universität Tübingen (Hrsg.): 100 Jahre Frauenstudium an der Universität Tübingen 1904-2004 - Historischer Überblick, Zeitzeuginnenberichte und Zeitdokumente. 2007, S. 367f.
https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/handle/10900/44021/

Hedwig Dinkel in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hedwig_Dinkel.

Bildquellen: Elisabeth Skrzypek

Autorin: Elisabeth Skrzypek

Datum: 02.12.2022

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