17.
September:
Marianne Cohn (1922-1944)
NS-Verfolgte und Widerstandskämpferin
Marianne Cohn, die am 17. September 1922 in Mannheim geboren wurde, stammte aus einem intellektuellen, politisch eher linksstehenden Elternhaus. Der Vater, Alfred Cohn, hatte Kunstgeschichte studiert, die Mutter Margarete, geborne Radt Nationalökonomie, beide Eltern waren eng mit Walter Benjamin befreundet und über ihn mit der intellektuellen Szene der Weimarer Republik, mit Adorno, Brecht oder Siegfried Kracauer vernetzt. Benjamin nahm regen Anteil an der geistigen Entwicklung Mariannes und ihrer jüngeren Schwester Lisa, die beide schon als Kinder Gedichte verfassten. Ein im Widerstand oder in der Haft verfasstes Gedicht Mariannes gilt als Zeugnis ihrer Unbeugsamkeit: Je trahirai demain, pas aujourd‘hui – „Ich werde morgen verraten, nicht heute“.
1929 zogen die Cohns nach Berlin, schon 1934 flüchteten sie ins Exil. Bis zum Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 lebten sie in Barcelona. Wenige Tage nach dem Militärputsch schickten die Eltern die beiden Töchter nach Frankreich, sie selbst folgten 1938. Ihr Bemühen um eine Emigration nach Palästina blieb vergebens. Nach dem Einmarsch der Deutschen am 10. Mai 1940 floh die Familie Cohn von Paris in den unbesetzten Süden Frankreichs. Die Eltern wurden zunächst in Gurs interniert, die Töchter gelangten mit Hilfe der jüdischen Pfadfinderorganisation Éclaireur Israélites de France nach Moissac im Departement Tarn-et-Garonne. Hier fand Marianne Cohn fand nicht nur eine Anstellung als Kindergärtnerin, sondern überdies Kontakt zum aktiven Widerstand. Im April 1942 trennte sich die Familie aus Sicherheitsgründen endgültig, Marianne blieb vorerst in Moissac und ging 1943 nach Grenoble. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich der zionistischen Jugendorganisation Mouvement de la Jeunesse Sioniste angeschlossen, die jüdische Kinder in Heimen und Klöstern versteckte und sie schließlich in die Schweiz schleuste. Von etwa 1.300 so in Sicherheit gebrachten Kindern hatte Marianne Cohn, die sich nun Colin nannte, 200 gerettet. Sie wurden in Annecy, Aix-les-Bains, Annemasse oder Saint-Gervais abgeholt und mit dem LKW nahe des Genfer Sees an die Schweizer Grenze gebracht. Die letzte Wegstrecke, auf der sie neben Cohn ein Ortskundiger begleitete, musste zu Fuß zurückgelegt werden. Jenseits der Grenze wurden sie von Schweizer Helfern in Empfang genommen.
Cohn war Teil einer professionell organisierten Fluchthilfe. Sie wusste um das hohe Risiko ihres Handelns. Am 31. Mai 1944, eine Woche vor der alliierten Landung in der Normandie, wurden Colin, ihr Begleiter Joseph Fournier und 28 Kinder und Jugendliche 200 Meter vor der Grenze von einer deutschen Zollpatrouille gestoppt und in der Folge der Gestapo übergeben und in das berüchtigte Gefängnis von Annemasse eingeliefert. Marianne Cohn, deren deutsch-jüdische Herkunft wohl unentdeckt blieb, versuchte den Mitgefangenen Zuversicht zu vermitteln. „Sie hat uns alle wieder aufgerichtet, uns Mut gemacht“, berichtete der damals jugendliche Léon Hertzberg. Einen Fluchtversuch, bei dem ihr Angehörige der Résistance helfen wollten, lehnte sie ab. Sie wollte die ihr anvertrauten Kinder nicht im Stich lassen. In der Nacht des 8. Juli 1944 wurde Marianne Cohn gemeinsam mit fünf Mitgliedern der Résistance von Angehörigen des Sicherheitsdienstes von Lyon in einem Waldstück nahe Annemasse ermordet. Die Tat blieb eines von vielen ungesühnten NS-Verbrechen. In Frankreich und auch in Israel ist Marianne Cohn bekannter als hierzulande, doch inzwischen trägt auch in ihrer Geburtsstadt Mannheim eine Straße und in Berlin eine Schule ihren Namen.
1929 zogen die Cohns nach Berlin, schon 1934 flüchteten sie ins Exil. Bis zum Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs 1936 lebten sie in Barcelona. Wenige Tage nach dem Militärputsch schickten die Eltern die beiden Töchter nach Frankreich, sie selbst folgten 1938. Ihr Bemühen um eine Emigration nach Palästina blieb vergebens. Nach dem Einmarsch der Deutschen am 10. Mai 1940 floh die Familie Cohn von Paris in den unbesetzten Süden Frankreichs. Die Eltern wurden zunächst in Gurs interniert, die Töchter gelangten mit Hilfe der jüdischen Pfadfinderorganisation Éclaireur Israélites de France nach Moissac im Departement Tarn-et-Garonne. Hier fand Marianne Cohn fand nicht nur eine Anstellung als Kindergärtnerin, sondern überdies Kontakt zum aktiven Widerstand. Im April 1942 trennte sich die Familie aus Sicherheitsgründen endgültig, Marianne blieb vorerst in Moissac und ging 1943 nach Grenoble. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich der zionistischen Jugendorganisation Mouvement de la Jeunesse Sioniste angeschlossen, die jüdische Kinder in Heimen und Klöstern versteckte und sie schließlich in die Schweiz schleuste. Von etwa 1.300 so in Sicherheit gebrachten Kindern hatte Marianne Cohn, die sich nun Colin nannte, 200 gerettet. Sie wurden in Annecy, Aix-les-Bains, Annemasse oder Saint-Gervais abgeholt und mit dem LKW nahe des Genfer Sees an die Schweizer Grenze gebracht. Die letzte Wegstrecke, auf der sie neben Cohn ein Ortskundiger begleitete, musste zu Fuß zurückgelegt werden. Jenseits der Grenze wurden sie von Schweizer Helfern in Empfang genommen.
Cohn war Teil einer professionell organisierten Fluchthilfe. Sie wusste um das hohe Risiko ihres Handelns. Am 31. Mai 1944, eine Woche vor der alliierten Landung in der Normandie, wurden Colin, ihr Begleiter Joseph Fournier und 28 Kinder und Jugendliche 200 Meter vor der Grenze von einer deutschen Zollpatrouille gestoppt und in der Folge der Gestapo übergeben und in das berüchtigte Gefängnis von Annemasse eingeliefert. Marianne Cohn, deren deutsch-jüdische Herkunft wohl unentdeckt blieb, versuchte den Mitgefangenen Zuversicht zu vermitteln. „Sie hat uns alle wieder aufgerichtet, uns Mut gemacht“, berichtete der damals jugendliche Léon Hertzberg. Einen Fluchtversuch, bei dem ihr Angehörige der Résistance helfen wollten, lehnte sie ab. Sie wollte die ihr anvertrauten Kinder nicht im Stich lassen. In der Nacht des 8. Juli 1944 wurde Marianne Cohn gemeinsam mit fünf Mitgliedern der Résistance von Angehörigen des Sicherheitsdienstes von Lyon in einem Waldstück nahe Annemasse ermordet. Die Tat blieb eines von vielen ungesühnten NS-Verbrechen. In Frankreich und auch in Israel ist Marianne Cohn bekannter als hierzulande, doch inzwischen trägt auch in ihrer Geburtsstadt Mannheim eine Straße und in Berlin eine Schule ihren Namen.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Susanne Urban, Marianne Cohn (1922–1944) – eine Jüdin aus Mannheim rettete Kinder im besetzen Frankreich. In: Angela Borgstedt u. a. (Hrsg.), Mut bewiesen. Widerstandsbiographien aus dem Südwesten, Stuttgart 2017 (Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württembergs; 46), S. 301–312.
Stolperstein für Marianne Cohn in Mannheim: Meerfeldstr. 4 a (Lindenhof), 68163 Mannheim, https://www.marchivum.de/de/stolperstein/marianne-cohn
Bildquelle: MARCHIVUM, KF040788
Datum: 17.09.2023
Autorin: Angela Borgstedt
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