07.
Juni:
Das NEIN im badischen Landtag zum Antrag auf Einführung des Frauenstimmrechts
Dabei hatten Frauenvereine seit dem Jahresende 1917 wieder Druck gemacht, nachdem auch sie bis dahin kriegsbedingt den innenpolitischen „Burgfrieden" mitgetragen und manche Forderung zurückgestellt hatten. Am 29. November 1917 lagen der Zweiten Kammer des Landtags nun aber Eingaben des Badischen Landesverbandes für Frauenbestrebungen sowie des Badischen Landesvereins für Frauenstimmrecht vor, die das Gemeindewahlrecht für Frauen forderten. Zur Kammersitzung am 20. Dezember 1917 sendete gar die sozialdemokratische Frauenrechtlerin Marie Juchacz aus Berlin eine Broschüre zum Frauenwahlrecht. Explizit nur das Gemeindewahlrecht verlangende Petitionen der Frauenversammlung des Heidelberger Nationalliberalen Vereins sowie der Rechts-schutzstelle für Frauen und Mädchen Heidelberg e.V. folgten im März 1918.
Auf einen anrollenden parlamentarischen Zug mit dem Ziel einer allgemeinen Verfassungsreform aufspringend, griff auch die Fortschrittliche Volkspartei das Thema Frauenwahlrecht wieder auf und stellte am 28. November 1917 ihren Antrag. Zeitgleich beantragte die nationalliberale Fraktion ausschließlich die Zulassung für die Wahlen zu den kommunalen Körperschaften. Auf diesem Übungsfeld sollten die Frauen zuerst einmal ihr Können beweisen. Unversehens fanden sich die liberalen Gruppierungen in gegnerischen Lagern wieder.
Führten nun im „Musterländli" die Linksliberalen sogar den parlamentarischen Kampf um das Frauenstimmrecht an und nicht wie seit mehr als 20 Jahren im Reichstag und in anderen Länderparlamenten die Sozialdemokratie?
Dank der Heidelberger Frauenrechtlerinnen Marianne Weber, Else Jaffé und Marie Baum forderte schon das Programm der badischen Linksliberalen von 1906 „die staatsbürgerliche Gleichstellung der Frau mit dem Mann auf dem Gebiet des kommunalen und staatlichen Wahlrechts". Am massiven Widerstand der württembergischen Parteifreunde scheiterte 1910 aber, dieses Ziel auch der fusionierten Fortschrittlichen Volkspartei auf die programmatische Fahne zu schreiben.
Oskar Muser, der linksliberale Wortführer im Landtag, wiederum hatte schon 1892 in der Zweiten Kammer den Antrag des Vereins Reform, Mädchen und Frauen regulär Abitur und Studium zu ermöglichen, unterstützt. Zur Stimmrechtsfrage hatte er sich 1913 mit der Broschüre Die Stellung der Frau zum Staat und im Staat positioniert.
Als auf monatelange Beratungen der Verfassungskommission über die Änderungswünsche im Juni 1918 endlich die Plenardebatte folgte, warb Oskar Muser umsonst für die Ansicht, dass Frauen gleichermaßen wie Männern das Selbstbestimmungsrecht zustehe und damit verbunden das Recht, selbst ihre Interessen im Parlament vertreten zu können. Bemerkenswert wie Muser letzteres gerade aus der auch von ihm betonten Verschiedenheit der Geschlechter und den daraus resultierenden unterschiedlichen Wirksphären folgerte.
Im parlamentarischen Schlagabtausch ging es nicht zuletzt darum, wer durch Einführung des Frauenstimmrechts gewinnen oder verlieren könne. Geschürt wurde die Angst vor einem beträchtlichen Zuwachs für die Sozialdemokratie durch das weibliche Votum. Ihre Furcht vor Machteinbuße verbrämten die Antragsgegner (außer den Konservativen fast unisono auch das Zentrum und die Nationalliberalen) mit der Sorge um das Staatswohl, das durch unbedarfte, ihrer eigentlichen Aufgabe als Ehefrauen und Mütter entfremdete Neuwählerinnen gefährdet sei.
Nochmals dröhnten die verbalen Geschütze gegen das Frauenstimmrecht durchs Karlsruher Ständehaus - trotz der um sich greifenden Einsicht, dass die politische Partizipation der Frauen auf Dauer kaum zu verhindern sei. So bekannte etwa der nationalliberale Fraktionsvorsitzende Edmund Rebmann: „Welche Generation ernsthaft vor der Frage des Frauenwahlrechts stehen wird, das weiß ich noch nicht; aber daß sie nicht mehr verschwinden wird, das weiß ich auch." Sicher war sich indes der konservative Abgeordnete Johannes Müller: „[D]er Antrag Muser hätte noch 100 Jahre zurückgestellt gehört". Nach 103 Jahren allgemeinem Frauenwahlrecht lässt diese grandiose Fehleinschätzung doch fast schmunzeln.
Auf einen anrollenden parlamentarischen Zug mit dem Ziel einer allgemeinen Verfassungsreform aufspringend, griff auch die Fortschrittliche Volkspartei das Thema Frauenwahlrecht wieder auf und stellte am 28. November 1917 ihren Antrag. Zeitgleich beantragte die nationalliberale Fraktion ausschließlich die Zulassung für die Wahlen zu den kommunalen Körperschaften. Auf diesem Übungsfeld sollten die Frauen zuerst einmal ihr Können beweisen. Unversehens fanden sich die liberalen Gruppierungen in gegnerischen Lagern wieder.
Führten nun im „Musterländli" die Linksliberalen sogar den parlamentarischen Kampf um das Frauenstimmrecht an und nicht wie seit mehr als 20 Jahren im Reichstag und in anderen Länderparlamenten die Sozialdemokratie?
Dank der Heidelberger Frauenrechtlerinnen Marianne Weber, Else Jaffé und Marie Baum forderte schon das Programm der badischen Linksliberalen von 1906 „die staatsbürgerliche Gleichstellung der Frau mit dem Mann auf dem Gebiet des kommunalen und staatlichen Wahlrechts". Am massiven Widerstand der württembergischen Parteifreunde scheiterte 1910 aber, dieses Ziel auch der fusionierten Fortschrittlichen Volkspartei auf die programmatische Fahne zu schreiben.
Oskar Muser, der linksliberale Wortführer im Landtag, wiederum hatte schon 1892 in der Zweiten Kammer den Antrag des Vereins Reform, Mädchen und Frauen regulär Abitur und Studium zu ermöglichen, unterstützt. Zur Stimmrechtsfrage hatte er sich 1913 mit der Broschüre Die Stellung der Frau zum Staat und im Staat positioniert.
Als auf monatelange Beratungen der Verfassungskommission über die Änderungswünsche im Juni 1918 endlich die Plenardebatte folgte, warb Oskar Muser umsonst für die Ansicht, dass Frauen gleichermaßen wie Männern das Selbstbestimmungsrecht zustehe und damit verbunden das Recht, selbst ihre Interessen im Parlament vertreten zu können. Bemerkenswert wie Muser letzteres gerade aus der auch von ihm betonten Verschiedenheit der Geschlechter und den daraus resultierenden unterschiedlichen Wirksphären folgerte.
Im parlamentarischen Schlagabtausch ging es nicht zuletzt darum, wer durch Einführung des Frauenstimmrechts gewinnen oder verlieren könne. Geschürt wurde die Angst vor einem beträchtlichen Zuwachs für die Sozialdemokratie durch das weibliche Votum. Ihre Furcht vor Machteinbuße verbrämten die Antragsgegner (außer den Konservativen fast unisono auch das Zentrum und die Nationalliberalen) mit der Sorge um das Staatswohl, das durch unbedarfte, ihrer eigentlichen Aufgabe als Ehefrauen und Mütter entfremdete Neuwählerinnen gefährdet sei.
Nochmals dröhnten die verbalen Geschütze gegen das Frauenstimmrecht durchs Karlsruher Ständehaus - trotz der um sich greifenden Einsicht, dass die politische Partizipation der Frauen auf Dauer kaum zu verhindern sei. So bekannte etwa der nationalliberale Fraktionsvorsitzende Edmund Rebmann: „Welche Generation ernsthaft vor der Frage des Frauenwahlrechts stehen wird, das weiß ich noch nicht; aber daß sie nicht mehr verschwinden wird, das weiß ich auch." Sicher war sich indes der konservative Abgeordnete Johannes Müller: „[D]er Antrag Muser hätte noch 100 Jahre zurückgestellt gehört". Nach 103 Jahren allgemeinem Frauenwahlrecht lässt diese grandiose Fehleinschätzung doch fast schmunzeln.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Die folgenden (digitalen) Texte können als Einstieg ins Thema dienen:
Protokollhefte der Verhandlungen der Zweiten Kammer der Stände-Versammlung des Großherzogtums Baden:
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihdl/periodical/pageview/368645 (54. Sitzung am 5. Juni 1918)
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihdl/periodical/pageview/368647 (55. Sitzung am 6. Juni 1918)
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihdl/periodical/pageview/368648 (56. Sitzung am 7. Juni 1918)
Frank Engehausen, Die Einführung des Frauenwahlrechts in Baden und Württemberg 1918/19. Zeitgenössische männliche Perspektiven, in: 100 Jahre Frauenwahlrecht im deutschen Südwesten. Eine Bilanz, hg. von Sabine Holtz und Sylvia Schraut (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B, Forschungen), Stuttgart 2020, Seite [55]-69
Ute Rosenbusch, Der Weg zum Frauenwahlrecht (Schriften zur Gleichstellung der Frau Bd. 20), Baden-Baden 1998 (auch wegen der Hinweise auf Baden immer noch grundlegend)
Illustration: Michael Bargende
Autorin: Sybille Oßwald-Bargende
Protokollhefte der Verhandlungen der Zweiten Kammer der Stände-Versammlung des Großherzogtums Baden:
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihdl/periodical/pageview/368645 (54. Sitzung am 5. Juni 1918)
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihdl/periodical/pageview/368647 (55. Sitzung am 6. Juni 1918)
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihdl/periodical/pageview/368648 (56. Sitzung am 7. Juni 1918)
Frank Engehausen, Die Einführung des Frauenwahlrechts in Baden und Württemberg 1918/19. Zeitgenössische männliche Perspektiven, in: 100 Jahre Frauenwahlrecht im deutschen Südwesten. Eine Bilanz, hg. von Sabine Holtz und Sylvia Schraut (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B, Forschungen), Stuttgart 2020, Seite [55]-69
Ute Rosenbusch, Der Weg zum Frauenwahlrecht (Schriften zur Gleichstellung der Frau Bd. 20), Baden-Baden 1998 (auch wegen der Hinweise auf Baden immer noch grundlegend)
Illustration: Michael Bargende
Autorin: Sybille Oßwald-Bargende
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