22. Oktober: Pauline Maier (1877–1942)
Die Oberin des jüdischen Krankenhauses in Mannheim geht freiwillig mit nach Gurs


Pauline Maier
Als am 22. Oktober 1940 alle badischen und pfälzischen Juden und Jüdinnen nach Gurs deportiert wurden, traf diese Maßnahme auch das jüdische Altenheim und Krankenhaus in Mannheim. Der Oberin Pauline Maier wurde angeboten, diejenigen, die transportunfähig waren und deshalb zurückbleiben durften, weiter zu betreuen. Doch sie entschied sich, das Schicksal der Deportation mit der Mehrheit ihrer bisherigen Schutzbefohlenen und den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Mannheim zu teilen.
Geboren wurde Pauline Maier am 21. Oktober 1877 in Baiertal bei Wiesloch. Ihr Vater Raphael Maier war Viehhändler, zur Familie gehörten neben der Mutter Hannchen geb. Marx noch zwei ältere Schwestern, die 1940 ebenfalls von Mannheim aus nach Gurs deportiert wurden.
Nach dem Besuch der Volksschule in ihrem Heimatort ging Pauline Maier für ihre Ausbildung zur Krankenschwester nach Berlin und Breslau. 1913 trat sie ihren Dienst im jüdischen Krankenhaus in Mannheim an, das sich damals in E 5, 9 befand. Sie war zunächst als Gemeindeschwester für die ambulante Krankenbetreuung zuständig. Im Ersten Weltkrieg meldete sie sich freiwillig an die Front, war dort in Lazaretten und bei Verwundetentransporten tätig. Nach Kriegsende kehrte sie wieder an ihre alte Stelle in Mannheim zurück.
1922 wurde Pauline Maier zur Oberin des jüdischen Krankenhauses ernannt. Auf ihre Anregung hin wurde das alte, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtete dreigeschossige Gebäude in E 5 so umgebaut, dass es den damals modernen Erfordernissen entsprach. Ihr fachlicher Rat war auch gefragt, als die israelitische Kultusgemeinde 1931 den Neubau eines Alters- und Schwesternheims in der damaligen Collinistraße (heute Bassermannstraße) realisierte. Fünf Jahre später musste auch das Krankenhaus dort untergebracht werden, da das alte Gebäude dem Neubau des Mannheimer Rathauses zum Opfer fiel.
In den folgenden Jahren entwickelte Pauline Maier eine große Stärke, die sie befähigte, den Betrieb des Kranken- und Altersheims, dessen Leitung sie übernahm, trotz zunehmender Schwierigkeiten aufrechtzuerhalten. Immer neue Herausforderungen warteten auf sie: nach dem November-Pogrom 1938 mussten beispielsweise zehn Tage lang 350 Flüchtlinge aus der Pfalz zusätzlich im Haus an der Collinistraße untergebracht und verpflegt werden. Doch es ging ihr nicht nur um die praktische Seite der Hilfe, sondern es gelang ihr auch, Trost zu spenden und Hoffnung zu geben. So wurde sie für alle in ihrem Umkreis zu einem Halt und einer Stütze.
In Gurs wuchs Pauline Maier noch weiter über sich hinaus, wie Eugen Neter nach dem Krieg berichtete: "Wer diese ,Hölle von Gurs damals miterlebt hat, begreift, mit welchem Gefühl der Erlösung die hilfsbereite und helfende Oberin von den Unglückseligen, schwer geprüften Menschen begrüßt wurde, wo und wann sie immer in den armseligen Baracken auftauchte. Wie oft sah ich die nicht mehr junge Oberin mit einem langen Bergstock durch den tiefen Morast stapfen, von einer Baracke zu anderen, Trost und Hilfe bringen, das Bild einer wahren Helferin." Das wusste auch der französische Kommandant des Lagers Gurs zu schätzen. Deshalb setzte er alles daran, Pauline Maier in Gurs zu halten, als im August 1942 die Transporte in die Todeslager in den Osten begannen. „Doch wiederum bestand die unvergleichliche Oberin auf ihrem Willen, die zur Deportation Kommenden zu begleiten. Doch diesmal nicht ins Unbekannte, sondern in den sicheren Untergang", erinnerte sich Eugen Neter später.
Das Vernichtungslager Auschwitz war die letzte Station von Pauline Maier, dort wurde sie im Alter von 65 Jahren ermordet. Doch vergessen wurden sie und ihre vorbildliche menschliche Haltung in Mannheim nicht. Seit 1964 trägt das städtische Alters- und Pflegeheim dort ihren Namen.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Schlösser, Susanne: Pauline Maier. In: Jüdisches Leben in Baden 1809 bis 2009. 200 Jahre Oberrat der Israeliten Badens. Festschrift herausgegeben von dem Oberrat der Israeliten Badens. Ostfildern 2009, S. 251 f.
Watzinger, Karl Otto: Geschichte der Juden in Mannheim 1650-1945. 2. Aufl. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1987 (Veröffentlichungen der Stadt Mannheim 12), S. 125 f.
Bildquelle: MARCHIVUM, Bildsammlung, KF016052.
Autorin: Susanne Schlösser

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