02. Oktober: Amalie Struve (1824–1862)
Eine Badische Freiheitskämpferin


Amalie Struve
Amalie Struve kämpfte in ihrem kurzen Leben an mehreren Fronten: An der Seite ihres Mannes Gustav Struve focht sie für die Ideale der Revolution von 1848. Mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit in Deutschland und Amerika trat sie für Gleichberechtigung und eine gute Frauenbildung ein.
Die Person: Amalie Siegrist kam am 2. Oktober 1824 in Mannheim als uneheliches Kind von Elisabeth Siegrist zur Welt und wurde später durch den Ehemann ihrer Mutter, Friedrich Düsar, adoptiert. Er prägte ihr fortschrittlich-demokratisches Denken und ermöglichte ihr eine sehr gute Ausbildung an einem privaten Mädcheninstitut in Mannheim, wo sie die Ausbildung zur Lehrerin erhielt.
Als sie am 24. September 1845 Gustav Struve kennenlernte, war es für ihn Liebe auf den ersten Blick, wie er in seinen Erinnerungen schilderte: „[...] voll Liebreitz, Anmuth, Würde, einen gebildeten Geist, ein warmes und doch so tiefes Herz, [...], ein glühendes Gefühl für Freiheit und Recht und einen Sinn für Kunst und Wissenschaft, wie ich alles dieses nie auch nur annährungsweise bei irgend einem weiblichen Wesen gefunden hätte." Amalie empfand wohl ähnlich, denn die beiden heirateten bereits am 16. November 1845, gegen alle Widerstände aus Gustav Struves Umfeld. Beide ernährten sich vegetarisch, verzichteten auf Alkohol und Tabak und traten zum Deutschkatholizismus über, einer seit 1844 bestehenden religiösen Bewegung mit ca. 40 Prozent weiblichen Mitgliedern.
Amalie Struve agierte durchaus couragiert, denn sie beschwerte sich während ihres Gefängnisaufenthaltes im Herbst 1848 mit Erfolg über die Verhörmethoden eines gewissen Assessors Winter. Zudem wehrte sie sich erfolgreich gegen Verleumdungen in der konservativen Freiburger Zeitung. Darüber hinaus berief sie sich im Mai 1849 auf gültiges Recht, als ihr der Verwalter des Bruchsaler Gefängnisses den Besuch bei ihrem Mann verweigern wollte.
Die Revolutionärin: Während der revolutionären Kämpfe begleitete sie ihren Mann, jedoch weder in Männerkleidung noch zu Pferd. Sie fuhr im Wagen hinterher und transportierte teilweise Munition und Waffen für die Revolutionäre. Doch diese hielten an der Geschlechterrollenzuschreibungen fest, was Amalie Struve bitter beklagte: „Niemals empfand ich so tief die unwürdige Stellung, in welcher sich bis zum heutigen Tage das weibliche Geschlecht gegenüber dem männlichen befindet. [...] Warum sollte die Gattin, welche die Gefahren des Gatten theilte, nicht auch Theil nehmen an seinen Arbeiten?"
Als sie zusammen mit ihrem Mann am 24. September 1848 gefangengenommen wurde, kam sie ins Freiburger Gefängnis, während er in Rastatt inhaftiert wurde. Am 16. April 1849, dem Tag ihrer Entlassung, fuhr sie sofort nach Rastatt, doch sie durfte ihren Mann nicht besuchen. Kurz vor dem Ausbruch des badischen Militäraufstandes verlegten die Behörden Gustav nach Bruchsal, und Amalie Struve reiste ihm nach. Beim Halt in Karlsruhe erlebte sie eine ungewohnt feindselige Haltung der Bevölkerung: „Als ich auf dem Bahnhofe zu Karlsruhe ankam, wurde ich von mehreren sogenannten vornehmen Damen und Herren erkannt und von denselben auf das unwürdigste beschimpft und verhöhnt. In frechem Übermuthe riefen sie aus, man sollte mich aufhängen."
Leben im Exil: Nach dem Scheitern der Revolution floh sie mit ihrem Mann über Genf und London 1851 weiter nach Amerika. Inwieweit sie Kontakt zu amerikanischen Frauenrechtlerinnen hatte, ist nicht nachweisbar, doch sie zitierte immer wieder aus den Erklärungen des großen Frauenrechtskongresses 1848 in Seneca Falls bei New York.
Sie setzte jedoch mit Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln ihren Einsatz für die Freiheit und Bildungsmöglichkeiten der Frauen fort. Im Gegensatz zu Mathilde Franziska Anneke (1817-1884) trat sie nicht mit öffentlichen Reden in Erscheinung.
Amalie Struve starb am 13. Februar 1862 in Stapleton (Staten Island, New York) nach der Geburt ihres dritten Kindes. Sie war eine selbstbewusste Frau, deren Verständnis der Geschlechterrollen nicht radikal war, aber für die Zeit neu und ungewöhnlich.
Weiterführende Literatur und Quellen:

Freund, Marion: Struve, Elise Ferdinand(in)e Amalie, geborene Siegrist, wohl seit 1827 Düsar, verheiratete S., https://www.deutsche-biographie.de/pnd117349062.html
Freund, Marion: Mag der Thron in Flammen glühn. Schriftstellerinnen und die Revolution von 1848/49. Königstein/Taunus 2004
Marcello-Müller, Monica (Hg.): Frauenrechte sind Menschenrechte. Schriften der Lehrerin, Revolutionärin und Literatin Amalie Struve. Herbolzheim 2002
Struve, Amalie: Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen. Den deutschen Frauen gewidmet. Hamburg 1850, https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10021751_00001.html

Bildquelle: MARCHIVUM, AB01612-6-062b

Autorin: Sabine Liebig
Datum: 30.09.2022

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