19.
Oktober:
Marie Schloß (1872–1952)
Schriftstellerin, radikale Frauenrechtlerin, Fürsorgebeamtin, Landtags- und Kreistagsabgeordnete
Marie Schloß, geborene Haas, kam als Tochter eines Weinhändlers am 31. Januar 1872 in Freiburg zur Welt und wuchs in einem liberalen jüdischen Elternhaus auf. Ihr Bruder war der Rechtsanwalt und badische Landtags- und Reichstagsabgeordnete Dr. Ludwig Haas (1875-1930), der die links-liberale Fortschrittliche Volkspartei vertrat und viele Jahre auch im Karlsruher Stadtrat mitwirkte.
1893 heiratete sie den Zigarettenfabrikanten Adolf Schloß und lebte zunächst als Hausfrau in Emmendingen. Sie bekam zwei Söhne. 1905 trat sie zum protestantischen Glauben über. Schon früh engagierte sie sich als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft, der auch ihr Bruder angehörte, und im Verein für soziale Hygiene. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1907 zog sie nach Karlsruhe, wo ihr Bruder als Politiker und Rechtsanwalt wirkte.
In der badischen Residenzstadt arbeitete sie als Journalistin und Redakteurin für die Zeitung „Der Badische Landesbote", das Organ der Fortschrittlichen Volkspartei. Sie schrieb unter der von ihr redigierten Rubrik „Was die Frauen angeht" zahlreiche Artikel über Themen, die die Frauenbewegung bewegten und scheute nicht die Nähe zur Sozialdemokratie. So erschien 1911 ihr Roman „Prinzessin. Sozialer Roman", in dem die bürgerliche Protagonistin am Ende einen Sozialdemokraten heiratet. Auch war sie Mitglied im Karlsruher Verein für Frauenstimmrecht und arbeitete für die Rechtsauskunftsstelle für Frauen und Mädchen. Diese Rechtsstellen wurden ab 1900 in vielen deutschen Städten gegründet, um nach der Verabschiedung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches, das die verheiratete Frau unter die Vormundschaft ihres Ehemannes stellte, davon betroffene Frauen rechtlich zu beraten. Mit ihren Mitgliedschaften, ihren Zeitungsartikeln und auch in öffentlichen Vorträgen bekannte sich Marie Schloß zum sogenannten damaligen radikalen Flügel der Frauenbewegung, der sich für die volle Gleichberechtigung in Politik und Gesellschaft einsetzte.
Ab 1912 war sie Fürsorgebeamtin in der Herrenhuter Brüdergemeinde in Königsfeld. Hier galt ihr Engagement vor allem dem Kinderschutz. So wandte sie sich z. B. in ihrer Schrift „Das Hütewesen im badischen Schwarzwald" gegen die Ausbeutung der als Arbeitskräfte eingesetzten Kinder.
In Königsfeld begann auch ihr Einsatz für die badischen Maler ihrer Zeit, sie betrieb einen kleinen Kunsthandel. Dabei verfolgte sie das Ziel, zum einen den Kurgästen die Kunst näher zu bringen und zum anderen durch Verkäufe notleidende Künstler zu unterstützen. Sie hatte Kontakt u. a. zu Gustav Kampmann, Gustav Schönleber und Hans Thoma.
Während des 1. Weltkrieges im Jahr 1916 gründete sie eine soziale Frauenberatungsstelle im Amtsbezirk Villlingen, für dessen Landkreis sie ab 1919 im Kreistag sitzt.
Am 29. Oktober 1919 rückte sie für Martin Venedey aus Konstanz in die Verfassunggebende Landesversammlung der Republik Baden als DDP-Abgeordnete nach. Die Landtagsprotokolle nennen sie unter der Rubrik Beruf „Fabrikantenwitwe aus Königsfeld Schw.". Sie blieb bis zur nächsten Landtagswahl im Oktober 1921 Landtagsmitglied. Auch hier arbeitete sie für die Gleichberechtigung der Frauen und setzte sich für den Schutz der Kinder ein.
Später, 1931, zog sie zu ihrem ältesten Sohn Erwin Schloß, der in Gnadau bei Magedeburg als Pfarrer der Herrenhuter Brüdergemeinde tätig war. Als er sich wegen antisemitischer Anfeindungen 1935 nach Bern versetzen ließ, zog sie nach Bruchsal zu ihrem anderen Sohn Martin Friedrich, der als Chemiker in einer Malzfabrik arbeitet. Im April 1938 emigrierte er in die USA und Marie Schloß folgte erneute ihrem Sohn Erwin nach Bern. Dort betreuten beide jüdische Flüchtlinge. Im Januar 1944 musste sie erleben, dass ihr Sohn Erwin bei einem Autounfall starb.
Ihren Lebensabend verbrachte sie auf Schloss Hüningen bei Bern.
Marie Schloß steht für den emanzipativen Aufbruch jüdischer Frauen, die sich der demokratisch-radikalen Frauenbewegung anschlossen und nach 1933 erleben mussten, dass alle Hoffnungen zunichte gemacht wurden. Das Karlsruher Stadtarchiv verwahrt ihren Nachlass, dem auch diese Abbildung entstammt.
1893 heiratete sie den Zigarettenfabrikanten Adolf Schloß und lebte zunächst als Hausfrau in Emmendingen. Sie bekam zwei Söhne. 1905 trat sie zum protestantischen Glauben über. Schon früh engagierte sie sich als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft, der auch ihr Bruder angehörte, und im Verein für soziale Hygiene. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1907 zog sie nach Karlsruhe, wo ihr Bruder als Politiker und Rechtsanwalt wirkte.
In der badischen Residenzstadt arbeitete sie als Journalistin und Redakteurin für die Zeitung „Der Badische Landesbote", das Organ der Fortschrittlichen Volkspartei. Sie schrieb unter der von ihr redigierten Rubrik „Was die Frauen angeht" zahlreiche Artikel über Themen, die die Frauenbewegung bewegten und scheute nicht die Nähe zur Sozialdemokratie. So erschien 1911 ihr Roman „Prinzessin. Sozialer Roman", in dem die bürgerliche Protagonistin am Ende einen Sozialdemokraten heiratet. Auch war sie Mitglied im Karlsruher Verein für Frauenstimmrecht und arbeitete für die Rechtsauskunftsstelle für Frauen und Mädchen. Diese Rechtsstellen wurden ab 1900 in vielen deutschen Städten gegründet, um nach der Verabschiedung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches, das die verheiratete Frau unter die Vormundschaft ihres Ehemannes stellte, davon betroffene Frauen rechtlich zu beraten. Mit ihren Mitgliedschaften, ihren Zeitungsartikeln und auch in öffentlichen Vorträgen bekannte sich Marie Schloß zum sogenannten damaligen radikalen Flügel der Frauenbewegung, der sich für die volle Gleichberechtigung in Politik und Gesellschaft einsetzte.
Ab 1912 war sie Fürsorgebeamtin in der Herrenhuter Brüdergemeinde in Königsfeld. Hier galt ihr Engagement vor allem dem Kinderschutz. So wandte sie sich z. B. in ihrer Schrift „Das Hütewesen im badischen Schwarzwald" gegen die Ausbeutung der als Arbeitskräfte eingesetzten Kinder.
In Königsfeld begann auch ihr Einsatz für die badischen Maler ihrer Zeit, sie betrieb einen kleinen Kunsthandel. Dabei verfolgte sie das Ziel, zum einen den Kurgästen die Kunst näher zu bringen und zum anderen durch Verkäufe notleidende Künstler zu unterstützen. Sie hatte Kontakt u. a. zu Gustav Kampmann, Gustav Schönleber und Hans Thoma.
Während des 1. Weltkrieges im Jahr 1916 gründete sie eine soziale Frauenberatungsstelle im Amtsbezirk Villlingen, für dessen Landkreis sie ab 1919 im Kreistag sitzt.
Am 29. Oktober 1919 rückte sie für Martin Venedey aus Konstanz in die Verfassunggebende Landesversammlung der Republik Baden als DDP-Abgeordnete nach. Die Landtagsprotokolle nennen sie unter der Rubrik Beruf „Fabrikantenwitwe aus Königsfeld Schw.". Sie blieb bis zur nächsten Landtagswahl im Oktober 1921 Landtagsmitglied. Auch hier arbeitete sie für die Gleichberechtigung der Frauen und setzte sich für den Schutz der Kinder ein.
Später, 1931, zog sie zu ihrem ältesten Sohn Erwin Schloß, der in Gnadau bei Magedeburg als Pfarrer der Herrenhuter Brüdergemeinde tätig war. Als er sich wegen antisemitischer Anfeindungen 1935 nach Bern versetzen ließ, zog sie nach Bruchsal zu ihrem anderen Sohn Martin Friedrich, der als Chemiker in einer Malzfabrik arbeitet. Im April 1938 emigrierte er in die USA und Marie Schloß folgte erneute ihrem Sohn Erwin nach Bern. Dort betreuten beide jüdische Flüchtlinge. Im Januar 1944 musste sie erleben, dass ihr Sohn Erwin bei einem Autounfall starb.
Ihren Lebensabend verbrachte sie auf Schloss Hüningen bei Bern.
Marie Schloß steht für den emanzipativen Aufbruch jüdischer Frauen, die sich der demokratisch-radikalen Frauenbewegung anschlossen und nach 1933 erleben mussten, dass alle Hoffnungen zunichte gemacht wurden. Das Karlsruher Stadtarchiv verwahrt ihren Nachlass, dem auch diese Abbildung entstammt.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Landtag von Baden-Württemberg, Gedenkbuch: https://www.landtag-bw.de/contents/gedenkbuch/abgeordnete/VA_Schloss%2C%20Marie~317.html . Zuletzt aufgerufen am 10.10.2022.
https://www.leo-bw.de/de-DE/web/guest/detail/-/Detail/details/PERSON/wlbblb_personen/1012388395/Schlo%DF+Marie . Zuletzt aufgerufen am 10.10.2022.
Verein Kunst-Kultur Königsfeld: https://kunstkultur-koenigsfeld.de/wp-content/uploads/2018/12/Marie-Schloss.pdf . Zuletzt aufgerufen am 10. 10. 2022.
Susanne Asche: Fürsorge, Emanzipation und Gleichberechtigung in Karlsruhe; in: Karlsruher Frauen 1715 - 1945. Eine Stadtgeschichte. Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 15, S. 171 - 256, hier S. 239 ff.
https://www.leo-bw.de/de-DE/web/guest/detail/-/Detail/details/PERSON/wlbblb_personen/1012388395/Schlo%DF+Marie . Zuletzt aufgerufen am 10.10.2022.
Verein Kunst-Kultur Königsfeld: https://kunstkultur-koenigsfeld.de/wp-content/uploads/2018/12/Marie-Schloss.pdf . Zuletzt aufgerufen am 10. 10. 2022.
Susanne Asche: Fürsorge, Emanzipation und Gleichberechtigung in Karlsruhe; in: Karlsruher Frauen 1715 - 1945. Eine Stadtgeschichte. Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs Bd. 15, S. 171 - 256, hier S. 239 ff.
Bildquelle:
Marie Schloß. Original im Privatbesitz, Signatur der digitalen Kopie im
Stadtarchiv Karlsruhe: 11/DigB 11
Autorin: Susanne Asche
Datum: 19.10.2022
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