31. Oktober: Hedwig Eppstein (1903-1944)
Jüdin, Retterin jüdischer Kinder


Hedwig und Paul Eppstein, ohne Jahr
Hedwig Eppstein ist eine Jüdin, die durch den nationalsozialistischen Terror ihr Leben verlor und das Leben zahlreicher jüdischer Kinder rettete.
Drei Jahre, nachdem im Großherzogtum Baden als erstem deutschen Land das Frauenstudium erlaubt wurde, kam Hedwig Strauß zur Welt. Die Tochter eines jüdischen Viehhändlerpaares wuchs zusammen mit ihren Eltern und ihrer vier Jahre älteren Schwester Friederike in Mannheim auf. Wir kennen ihre Wohnadresse (Collinistraße 20) und wissen, dass Hedwig eine höhere Mädchenbildung in der Liselotteschule absolvierte. Zeitgenössisch war das durchaus noch ein Privileg, das wenigen Mädchen vorbehalten war. Sie scheint keine besonders gute Schülerin gewesen zu sein. Doch sie hielt bis zum Abitur durch. Anfang der 1920er Jahre lässt sie sich als Studentin der Universität Heidelberg nachweisen. Dass sie 1927 mit 24 Jahren als erste Absolventin am 1925 neu gegründeten psychologischen Institut der Universität Heidelberg im Fach Psychologie promoviert wurde, zeugt davon, dass Hedwig Strauß ihren Berufsweg zielstrebig verfolgte. Von 1927 bis 1933 war sie als Sozialberaterin beim Wohlfahrts- und Jugendamt der Israelitischen Gemeinde Mannheim beschäftigt. Auch der Frauenbewegung mag sie nahegestanden haben, denn sie war als Sozialberaterin im Jüdischen Frauenbund aktiv.
Am 14. August 1930 heiratete sie den Leiter der Mannheimer Volkshochschule Paul Maximilian Eppstein (1902-1944), einen in Mannheim und Umgebung bekannten Sozialwissenschaftler. Vielleicht freute sich das Paar auf ein zukünftig gemeinsames reges soziales Engagement in der Heimatstadt. Doch die nationalsozialistische Diktatur machte alle freien Zukunftspläne zunichte. Paul Eppstein musste 1933 die Leitung der Mannheimer Volkshochschule niederlegen. Weil er der Reichsvertretung der Deutschen Juden in Berlin beitrat, verzogen Paul und Hedwig nach Berlin. Hier setzten beide ihre soziale Arbeit im Interesse der jüdischen drangsalierten Bevölkerung fort. Möglichkeiten, selbst ins Ausland zu fliehen, haben beide nicht wahrgenommen. „In diesem Augenblick kommt ein Weggehen nicht in Frage. Ein paar Wochen müssen wir hier leisten, was die primitivste Verantwortung verlangt", schrieb sie im Dezember 1938 an ihren Schwager Paul. Später mögen alle Fluchtwege verschlossen gewesen sein.
Hedwig Eppstein übernahm 1938 die Leitung der Berliner Kinder- und Jugend-Alijah, eine Organisation, die im Nationalsozialismus möglichst viele Kinder nach Palästina zu verschicken versuchte. Dadurch konnte sie zahlreichen Juden die Flucht nach England, Eretz Israel oder in die USA ermöglichen. Zwischen den Jahren 1937 und 1943 hat Hedwig in einem Briefwechsel mit Freunden und Verwandten ihre Gedanken, Hoffnungen und Befürchtungen zum Ausdruck gebracht. Es sind eindrückliche Dokumente zur Judenverfolgung, die das MARCHIVUM aufgearbeitet hat. Am 26. Januar 1943 wurde sie zusammen mit ihrem Ehemann in das Ghetto Theresienstadt, am 28. Oktober 1944 schließlich nach Auschwitz deportiert. Als Datum ihrer Ermordung gilt der 31. Oktober 1944.

Ein Stolperstein zum Gedenken an Dr. Hedwig Eppstein wurde 2013 in der Collinistraße 20, Mannheim verlegt, ein weiterer ist seit 2013 in Berlin, Ludwigkirchstr. 10, zu finden. 2021 wurde vom Mannheimer Gemeinderat beschlossen, sie auch mit einem Straßenamen im neuen Wohnquartier Spinelli zu ehren.

Im MARCHIVUM ist die Audio-CD „Jetzt denkt man nicht an das bisschen Ich" mit Texten von Hedwig Eppstein käuflich zu erwerben.

Weiterführende Literatur und Quellen:
Bildquelle:
MARCHIVUM, AB02176-6.
Autorinnen: Tia Kutterer, Franziska Moritz, Schülerinnen des Karl-Friedrich-Gymnasiums Mannheim, und Sylvia Schraut (2022). Text entstanden im Rahmen des Projekts "Wiki-Girls - Geschichte(n) schreiben" im Juli 2022 in Mannheim.
Datum: 03.11.2022

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