16.
September:
Das erste deutsche Mädchengymnasium wird eröffnet

Bis in das ausgehende 19. Jahrhundert hinein war es Frauen verwehrt, auf Gymnasien das Abitur abzulegen und zu studieren. Zwar gab es in Berlin von Helene Lange eingerichtete Realgymnasialkurse, in denen sich die Schülerinnen auf das externe Abitur vorbereiten konnten. Doch das galt als eine Ausnahmeerscheinung.
Dagegen rief Hedwig Kettler 1888 in Weimar den „Deutschen Frauenverein Reform", später „Frauenbildungsverein", ins Leben, der das gleichberechtigte Mädchenabitur forderte, das wie das Jungenabitur auf der humanistischen Bildung, d. h. auf Griechisch und Latein basieren sollte. Der Verein reichte Petitionen bei den Landtagen der deutschen Länder ein, darunter auch bei der Zweiten Kammer des badischen Ständehauses. Diese verwies im Februar 1892 nach eingehender Debatte das Anliegen immerhin zur Kenntnisnahme an die großherzogliche Regierung mit dem Bemerken, dass das „Streben der Frauen nach Erweiterung ihrer Erwerbsmöglichkeiten [...] durch Erschließung einzelner auf wissenschaftlicher Vorbildung beruhender Berufe [...] teilweise erfüllbar" sei. Um unter der Karlsruher Einwohnerschaft zu werben, hielt im März 1892 Anita Augspurg, Vorstandsmitglied des Vereins „Frauenbildungsreform", im Karlsruher Rathaus einen Vortrag vor gut rund 200 mehrheitlich weiblichen Personen.
Da das Klima in Baden für die Bestrebungen der Frauen am günstigsten war, beschloss der Verein auf eigene Initiative ein Mädchengymnasium in der Stadt zu gründen. Er wandte sich am 5. Februar 1892 in einem Schreiben an die Stadtverwaltung mit der Bitte um Überlassung geeigneter Räumlichkeiten sowie Übernahme der Heizungs- und Beleuchtungskosten und erhielt eine sehr freundlich-positive Antwort. Dieser Entscheidung war eine besorgte Anfrage der preußischen Regierung vorausgegangen, auf die die badische Regierung mit dem Hinweis antwortete, dass die Errichtung einer Schule für nicht mehr schulpflichtige Kinder keine behördliche Genehmigung brauche. Bei den Karlsruher Stadtvätern könnten auch Vorbehalte gegen Preußen, die es in Baden seit 1849 gab, eine Rolle gespielt haben.
Am 16. September fand in der Aula der höheren Mädchenschule (der heutigen Turnhalle des Fichtegymnasiums) - der Raum für das Mädchengymnasium war in der benachbarten Waldstrasse - die feierliche Eröffnung mit Reden von Hedwig Kettler und Anita Augspurg statt. Das jährliche Schulgeld betrug 200 Mark. Die Anfänge waren schwierig, da die Lehrer nebenamtlich arbeiteten, der Sitz des Vereins in Hannover lag und nicht geklärt war, ob der badische Staat das Abitur anerkennen würde. Die Schülerinnenzahlen sanken, bis es 1896/97 keine Anmeldungen mehr gab. Das führte zu schweren Zerwürfnisse innerhalb des Vereins, bis viele, insbesondere die süddeutschen und alle Karlsruher Mitglieder austraten, einen Neuen Verein „Frauenbildung - Frauenstudium" gründeten und sich an den Stadtrat wandten mit der Bitte, die Schule in städtische Verwaltung zu nehmen. Die Karlsruher Stadtväter waren der Institution verbunden geblieben und man beschloss eine Kommission zu gründen, in der Anna Ettlinger den Frauenverein vertrat und mit Gymnasialdirektor Gustav Wendt ein bedeutender Vertreter der Schulreformpolitik gewonnen wurde. Die Kommission schlug vor, die Schule als Reformgymnasium zu einer städtischen Institution zu machen. Die neuen Reformgymnasien boten eine Reihenfolge des Fremdsprachenunterrichts - man begann mit Französisch, später folgten Latein, Englisch und Griechisch -, die es ermöglichte, das Mädchengymnasium an die höhere Mädchenschule anzuschließen. Handarbeitsunterricht war nicht vorgesehen, dafür aber das höchst moderne Turnen, das mit den Korsett-Tragen nicht vereinbar war.
Damit war das Gymnasium gerettet und der Durchbruch zur Zulassung zum Studium gelegt. 1899 legten die ersten vier Schülerinnen ihr Abitur ab - Johanna Kappes, Rahel Goithein, verh. Straus, Magdalena Neff, die alle studierten, sowie Auguste Meinzer. 1911 erhielt die Schule ein eigenes Gebäude, das heutige Lessinggymnasium, so dass heute zwei Gebäude in Karlsruhe an das erste deutsche Mädchengymnasium und damit an die wissenschaftliche Emanzipation der Frauen erinnern.
Dagegen rief Hedwig Kettler 1888 in Weimar den „Deutschen Frauenverein Reform", später „Frauenbildungsverein", ins Leben, der das gleichberechtigte Mädchenabitur forderte, das wie das Jungenabitur auf der humanistischen Bildung, d. h. auf Griechisch und Latein basieren sollte. Der Verein reichte Petitionen bei den Landtagen der deutschen Länder ein, darunter auch bei der Zweiten Kammer des badischen Ständehauses. Diese verwies im Februar 1892 nach eingehender Debatte das Anliegen immerhin zur Kenntnisnahme an die großherzogliche Regierung mit dem Bemerken, dass das „Streben der Frauen nach Erweiterung ihrer Erwerbsmöglichkeiten [...] durch Erschließung einzelner auf wissenschaftlicher Vorbildung beruhender Berufe [...] teilweise erfüllbar" sei. Um unter der Karlsruher Einwohnerschaft zu werben, hielt im März 1892 Anita Augspurg, Vorstandsmitglied des Vereins „Frauenbildungsreform", im Karlsruher Rathaus einen Vortrag vor gut rund 200 mehrheitlich weiblichen Personen.
Da das Klima in Baden für die Bestrebungen der Frauen am günstigsten war, beschloss der Verein auf eigene Initiative ein Mädchengymnasium in der Stadt zu gründen. Er wandte sich am 5. Februar 1892 in einem Schreiben an die Stadtverwaltung mit der Bitte um Überlassung geeigneter Räumlichkeiten sowie Übernahme der Heizungs- und Beleuchtungskosten und erhielt eine sehr freundlich-positive Antwort. Dieser Entscheidung war eine besorgte Anfrage der preußischen Regierung vorausgegangen, auf die die badische Regierung mit dem Hinweis antwortete, dass die Errichtung einer Schule für nicht mehr schulpflichtige Kinder keine behördliche Genehmigung brauche. Bei den Karlsruher Stadtvätern könnten auch Vorbehalte gegen Preußen, die es in Baden seit 1849 gab, eine Rolle gespielt haben.
Am 16. September fand in der Aula der höheren Mädchenschule (der heutigen Turnhalle des Fichtegymnasiums) - der Raum für das Mädchengymnasium war in der benachbarten Waldstrasse - die feierliche Eröffnung mit Reden von Hedwig Kettler und Anita Augspurg statt. Das jährliche Schulgeld betrug 200 Mark. Die Anfänge waren schwierig, da die Lehrer nebenamtlich arbeiteten, der Sitz des Vereins in Hannover lag und nicht geklärt war, ob der badische Staat das Abitur anerkennen würde. Die Schülerinnenzahlen sanken, bis es 1896/97 keine Anmeldungen mehr gab. Das führte zu schweren Zerwürfnisse innerhalb des Vereins, bis viele, insbesondere die süddeutschen und alle Karlsruher Mitglieder austraten, einen Neuen Verein „Frauenbildung - Frauenstudium" gründeten und sich an den Stadtrat wandten mit der Bitte, die Schule in städtische Verwaltung zu nehmen. Die Karlsruher Stadtväter waren der Institution verbunden geblieben und man beschloss eine Kommission zu gründen, in der Anna Ettlinger den Frauenverein vertrat und mit Gymnasialdirektor Gustav Wendt ein bedeutender Vertreter der Schulreformpolitik gewonnen wurde. Die Kommission schlug vor, die Schule als Reformgymnasium zu einer städtischen Institution zu machen. Die neuen Reformgymnasien boten eine Reihenfolge des Fremdsprachenunterrichts - man begann mit Französisch, später folgten Latein, Englisch und Griechisch -, die es ermöglichte, das Mädchengymnasium an die höhere Mädchenschule anzuschließen. Handarbeitsunterricht war nicht vorgesehen, dafür aber das höchst moderne Turnen, das mit den Korsett-Tragen nicht vereinbar war.
Damit war das Gymnasium gerettet und der Durchbruch zur Zulassung zum Studium gelegt. 1899 legten die ersten vier Schülerinnen ihr Abitur ab - Johanna Kappes, Rahel Goithein, verh. Straus, Magdalena Neff, die alle studierten, sowie Auguste Meinzer. 1911 erhielt die Schule ein eigenes Gebäude, das heutige Lessinggymnasium, so dass heute zwei Gebäude in Karlsruhe an das erste deutsche Mädchengymnasium und damit an die wissenschaftliche Emanzipation der Frauen erinnern.
Weiterführende Literatur und Quellen:
https://www.blb-karlsruhe.de/blblog/2023-09-02-130-jahre-maedchengymnasium-in-karlsruhe
Asche, Susanne: Disziplinierung und Emanzipation. Kommunale Bildungspolitik für Mädchen und Frauen im Großherzogtum Baden; in: Stadt und Bildung, Hrsg. Bernhard Kirchgässner, Hans-Peter Becht, Siemaringen 1997, S. 119-136
100 Jahre Mädchen-Gymnasium in Deutschland. Festschrift, hrsg. Stadt Karlsruhe, Karlsruhe 1993
Bildquelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_IV_226_1.jpg.
Autorin: Susanne Asche
Datum: 16.09.2025
Asche, Susanne: Disziplinierung und Emanzipation. Kommunale Bildungspolitik für Mädchen und Frauen im Großherzogtum Baden; in: Stadt und Bildung, Hrsg. Bernhard Kirchgässner, Hans-Peter Becht, Siemaringen 1997, S. 119-136
100 Jahre Mädchen-Gymnasium in Deutschland. Festschrift, hrsg. Stadt Karlsruhe, Karlsruhe 1993
Bildquelle: Stadtarchiv Karlsruhe 8_PBS_IV_226_1.jpg.
Autorin: Susanne Asche
Datum: 16.09.2025
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