25. Mai: Babette Egle (1875–1968)
Wirtin und erste Gemeinderätin in Blaubeuren


Babette Egle in den 1930er-Jahren
Nichts in Blaubeuren erinnert heute mehr an Babette Egle. Die Wirtin des Gasthofs „Zum Güterbahnhof“ wurde 1919 als erste Frau für die SPD in den Blaubeurer Stadtrat gewählt und begleitete das politische Geschehen bis Ende der 1920er-Jahre.
Geboren wurde sie am 25.05.1875 in Heidenheim als Tochter des Mühlenbesitzers Johann Langenbucher und der Barbara, geb. Gutter. Über ihre Kindheit und Jugend in Heidenheim ist nichts mehr bekannt.
1903 heiratete sie in Heidenheim den Witwer Josef Egle aus Kirchbierlingen im Oberamt Ehingen, Wirtshauspächter in Ulm. Das erste Kind wurde 1904 geboren. Die folgenden Jahre gestalteten sich schwierig, das Ehepaar pendelte zwischen Heidenheim und Ulm. Dann endlich ein Lichtblick: Die Familie konnte - wohl mit elterlicher Unterstützung - im Jahr 1908 den Gasthof „Zum Güterbahnhof" in Blaubeuren erwerben, der dem Blaubeurer Bahnhof, bzw. dem Güterbahnhof, gegenüberlag.
Im Laufe der Zeit machte sich das Ehepaar einen Namen in der damaligen Blaubeurer Gastronomie. Auf der anderen Seite des Bahnhofs war das Zementwerk mit seinen vielen Lohnarbeitern angesiedelt, die für ständigen Umsatz sorgten. Die Einkünfte aus dem Gastbetrieb wurden auch nötig, denn es kamen, neben dem ersten, drei weitere Kinder auf die Welt. Über die Gäste kamen Josef und Babette Egle wahrscheinlich in Berührung mit der Blaubeurer Sozialdemokratie, die sich ab 1899 in Blaubeuren nachweisen lässt. So kam es, dass sich, als zum ersten Mal 1919 Frauen wählen und gewählt werden durften, Babette Egle für die Sozialdemokraten um ein Amt im Stadtrat bewarb. In der Wahl vom 4. Mai 1919 erhielt sie bei 1544 Wahlberechtigten 708 Stimmen und war damit gewählt. Ihr Bekanntheitsgrad als Gastronomin war wohl ausschlaggebend für die Wahl gewesen.
Am 30. Mai war die erste Gemeinderatssitzung. In dieser wurde sie vom Bürgermeister in der Milchkommission eingesetzt, die im schwelenden Milchpreiskonflikt vermitteln sollte, später dann in der Wohnungskommission. Egle bestimmte die Geschicke der Stadt Blaubeuren zehn Jahre lang mit. So kämpfte sie etwa gegen die Wiedereinführung eines Schulgelds an der Kleinkinderschule. Sie gründete eine Frauengruppe der SPD, in der neben politischer Bildung auch Hilfestellungen für die Bewältigung eines schwierigen Alltags in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre auf dem Programm standen. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1922 musste sie sich wegen dringender Geschäfte aber immer wieder von den Stadtratssitzungen entschuldigen. 1929 ließ sie sich vermutlich nicht mehr zur Wahl aufstellen und wurde durch die Lehrerin Ernestine Scheer ersetzt.
1931, neun Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes, verkaufte die Witwe den Gasthof. Über die weiteren Jahre in Blaubeuren ist nichts bekannt. 1938 zog sie in ihre alte Heimat Heidenheim zurück, wo ein Sohn und mehrere Enkelkinder lebten.
Sie lebte sich in Heidenheim wieder ein, besuchte regelmäßig Veranstaltungen des Gustav-Adolf-Vereins und reiste viel. So fuhr sie gern mit dem Zug zu ihrer Tochter nach Wien und zu ihrem Bruder nach Frankfurt. Mit 55 Jahren lernte sie noch das Schwimmen und fuhr häufig als Sozia auf dem Motorrad mit. Als ihre in Ulm lebende Schwester im Zweiten Weltkrieg ausgebombt wurde, nahm sie die ganze Familie in Heidenheim in ihrem Haus auf.
Am 11.02.1968 verstarb Babette Egle 93-jährig in einem Heidenheimer Seniorenheim.
Weiterführende Literatur und Quellen:
Manfred Daur: Arbeiterbewegung und 100 Jahre SPD-Ortsverein Blaubeuren 1899-1999, Blaubeuren 1999.
Standesamt Blaubeuren: Familienregister, Sterberegister.
Standesamt Heidenheim: Sterberegister, auch Melderegister.
Stadtarchiv Ulm, Familienregister.
Oberamtsblatt Der Blaumann vom 28.01.1931.
Stadtarchiv Blaubeuren: Gemeinderatsprotokolle 1919-1928.
Angaben der Enkelin Gertrud Bachmann, Heidenheim, vom Mai 2018.
Bildquelle: Lotte Meitner-Graf
Autorin: Ursula Erdt
Datum: 25.05.2022

Weitere Denk-Tage im Mai