28. April: Martha Schmidtmann (1892–1981)
Erste Professorin für Pathologie in Deutschland


Familiengrabstätte Schmidtmann
Martha Schmidtmann war Pathologin, eine Koryphäe in ihrem Fach. Sie war die erste Professorin für Pathologie und leitete die Pathologischen Institute am Cannstatter Krankenhaus und am Stuttgarter Katharinenhospital.
Martha Schmidtmann wurde am 28. April 1892 in Oppeln in Schlesien geboren. Als ihr Vater als Arzt nach Breslau und anschließend nach Berlin versetzt wurde, zog auch die Familie mit. In Berlin-Wilmersdorf besuchte Martha die Viktoria-Luisen-Schule, wechselte aber dann an die Augusta-Victoria-Schule in Charlottenburg, um dort 1911 ihr Abitur ablegen zu können. Sie studierte in Marburg und München Medizin. In Marburg legte sie 1916 ihr Staatsexamen ab und wurde promoviert. An der Medizinischen Klinik in Kiel entschied sie sich für die Pathologie, eine ungewöhnliche Wahl für eine Frau in der damaligen Zeit.
1926 habilitierte sie sich an der Medizinischen Fakultät in Leipzig und war dort von 1930 bis 1932 die erste weibliche Professorin für Pathologie in Deutschland. Gleichzeitig bewarb sie sich als Leiterin des neu gegründeten Pathologischen Instituts am Krankenhaus Stuttgart-Cannstatt. Aufgrund ihrer hohen Qualifikation konnte sie sich unter fast 30 männlichen Bewerbern durchsetzen. Sie veröffentlichte 1934 ihre Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Autoabgasen und „Volksgesundheit" und war damit ihrer Zeit weit voraus.
Die Arbeit von Ärztinnen wurde ab 1933 sehr stark eingeschränkt und die Position von Martha Schmidtmann als Leiterin der Pathologie war massiv gefährdet. Sie veröffentlichte 1934 in der Zeitschrift „Die Frau" eine Stellungnahme, in der sie davor warnte, Frauen aus dem Arztberuf zu verdrängen, da es einige Bereiche gäbe, in denen Frauen als Ärztinnen dringend notwendig seien.
Um ihre Position zu sichern, trat Martha Schmidtmann der NSDAP und dem NS-Ärztebund bei. Während der 1933 gleichgeschaltete und 1936 aufgelöste Bund Deutscher Ärztinnen (BdÄ), in dem Martha Schmidt als Leiterin der Ortsgruppe Württemberg tätig war, eine Interessenvertretung der Ärztinnen in Deutschland war, war der NS-Ärztebund laut Wikipedia eine „Kampforganisation der NSDAP", in der die Grundlagen für die „Rassenhygiene" der Nationalsozialisten entwickelt werden sollten. Ihm gehörten 1942 46.000 ÄrztInnen an. Es liegen keine Unterlagen vor, nach denen Martha Schmidtmann in dieser Organisation Funktionen innehatte; sie selbst äußerte sich nicht zu dieser Mitgliedschaft.
Martha Schmidtmann wurde nach dem Krieg vom Dienst suspendiert und zeitweise aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Um weiter arbeiten zu können, gründete sie ein privates pathologisch-diagnostisches Labor, das zunächst seinen Sitz im Esslinger Krankenhaus, später in ihrem eigenen Haus in der Theodor-Veiel-Straße 76 in Cannstatt hatte. Einige ihrer Mitarbeiter aus Cannstatt folgten ihr in ihr privates Institut.
1950 wurde Martha Schmidtmann rehabilitiert und übernahm die Leitung des Pathologischen Instituts am Katharinenhospital, der nun einzigen Pathologie in Stuttgart.
Martha Schmidtmann war Pathologin mit Leib und Seele. Die Obduktionen und die Krankheitsdiagnostik an Gewebeproben nannte sie den schönsten Teil ihres Berufs. Ihr Arbeitspensum war enorm und sie verlangte auch von ihren Mitarbeitern vollen Einsatz.
Nach ihrer Pensionierung 1957 forschte sie weiter an ihrem privaten Institut. Ihr Interesse galt nun der Geschichte der Krankheiten. Für die Zunahme an Herz- und Gefäßerkrankungen machte sie Nikotin, Stress und die cholesterinhaltige Ernährung verantwortlich. So stellte sie auf Studienreisen fest, dass in Ländern, in denen die Menschen vergleichsweise weniger gestresst leben, die Herzerkrankungen seltener sind. Sie erkannte schon 1961 die zunehmende Bedeutung von Umweltgiften wie Industrie- und Autoabgasen und von Schädlingsbekämpfungsmitteln in der Landwirtschaft. Zudem sah sie die Gefahren, die sich aus der Nutzung der Atomenergie ergeben könnten.
Martha Schmidtmann gründete 1961 die nach ihrem Vater benannte Prof. Dr. Adolf Schmidtmann-Stiftung, die Stipendien an junge WissenschaftlerInnen vergibt, die im Ausland Erfahrungen sammeln wollen. 1968 wurde Martha Schmidtmann die Ehrensenatorinnenwürde der Universität Marburg verliehen „für ihre unermüdliche, großzügige Unterstützung des akademischen Nachwuchses und in besonderer Anerkennung ihrer Förderung des Ausbaus wissenschaftlicher Beziehungen zu ausländischen Universitäten".
Nach ihrem Tod wurde sie in Marburg bestattet, in Cannstatt wurde eine Straße nach ihr benannt.
ehem. Wohnhaus Martha Schmidtmann in Bad Cannstatt
Weiterführende Literatur und Quellen:

Matthias Busch: Martha Schmidtmann. „Ich kam zur Pathologie, weil ich keinen Menschen sterben sehen kann". In: Pro Alt-Cannstatt (Hg.): „Und die Frauen?" Cannstatter Frauengeschichte(n) aus zehn Jahrhunderten, Ludwigsburg 2021, S. 214-217
Hans Cain: Martha Schmidtmann. In: Verhandlungen der deutschen pathologischen Gesellschaft 65 (1981), S. 571ff
Martha Schmidtmann. In: Ärztinnen im Kaiserreich. Wo bleiben die Frauen in der Medizingeschichte? Charité in Berlin (https://geschichte.charite.de/aeik/index.html)
Martha Schmidtmann in Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Martha_Schmidtmann)
Bildquellen:
Familiengrab Schmidtmann:
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=116735641
Krankenhaus Bad Cannstatt:
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=87326712

ehem. Wohnhaus M. Schmidtmann: Elisabeth Skrzypek

Autorin: Elisabeth Skrzypek


 

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